Kürzlich las ich ein sehr schönes Gedicht über eine Orange. Und ich wurde kurz darauf über den Tiktok-Trend aufgeklärt, bei dem mit der "Orangenschältheorie" die Stärke der Beziehung zu messen ist, als Möglichkeit, im Alltag Liebe auszudrücken. Die Idee ist wirklich schlau, finde ich. Dabei fiel mir nämlich spontan folgende Situation ein: Es ist Winter 1980 (?). Ich bin im Wohnzimmer, spiele Lego, lümmle auf dem Sofa herum oder vielleicht liege ich auch krank unter dieser karierten, etwas kratzigen Wolldecke. Meine Großmutter sitzt mir im Sessel gegenüber. Nach dreimaligem Betteln habe ich es geschafft: „Na, mit mir könnt‘ ihr’s ja machen“, hat sie vielleicht gesagt und dann angefangen, mir mithilfe des kleinen, organgefarbenen Küchenmessers, auf einem Holzbrettchen eine Orange zu schälen. Ich sage schälen, aber vielmehr ging erst nach dem Schälen die wahre Arbeit los. Mit dem kleinen Messerchen wurde nämlich bis auf das kleinste Fitzelchen alles weißes Zeugs. (ich weiß bis heute noch nicht, wie es richtig heißt), von der Frucht geschabt.
Nie wieder habe ich so etwas Köstliches gegessen! Denn diese Orangen waren nicht etwa mutwillig in grobe Stücke zerfetzt, wie ich es heute gerne tue, sondern ordentlich Stück für Stück
auseinandergezogen, im wahrsten Sinne mit den Fingern filetiert.
Bei der Erinnerung kommt mir der Gedanke, dass es enorm selbstlose Handlung ist, eine Orange zu pellen, so wurde es kürzlich irgendwo formuliert, und das ist wirklich wahr. Man selbst hat ja
schlussendlich gar nichts davon, außer jemand anderen glücklich schmatzen zu sehen. Denn nervt es nicht fürchterlich, danach das weiße Zeugs unter den, gelblich verfärbten, Fingernägeln zu haben?
Ganz zu schweigen vom Geruch, der erst herrlich ist, aber spätestens abends im Bett wäre man ihn gerne wieder los! Wäre die Welt vielleicht ein Stück besser, wenn wir uns öfter mal gegenseitig
Orangen schälen würden? Ich glaube, ich fange direkt heute damit an und frage mal, wem ich eine schälen darf.
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Editha (Montag, 18 Dezember 2023 18:50)
Sehr gerne würde ich eine derart gepellte Orange bekommen, aber auch selber einem Anderen so eine köstliche Frucht reichen!!
Kristina (Dienstag, 16 Januar 2024 14:10)
Ha! Das ist ja schön, ich habe schon andere Anfragen, auch aus der Familie, zum Orangenpellen bekommen! Noch ist ja Saison... :-)