Schöpferin sein

Dieses Gefühl, ein Buch abgegeben zu haben … ein absolutes Hochgefühl, Stolz, Freude, Euphorie, Glück, Vollendung. Gleichzeitig tritt auch Erschöpfung ein und irgendwie auch so etwas von Abschied. Klar, kann man seine Figuren jederzeit wiedertreffen, man kann Lesungen aus dem Buch machen, sie dabei alle bis ins Detail mit Kindern diskutieren. Oder man kann die Geschichte selbst immer wieder lesen, als Einschlafbuch auf den Nachtisch legen. Aber man kann eben nicht mehr an den Charakteren herumfeilen, sich stark und froh und mächtig fühlen, weil man – ja, wirklich, so ist es, ihr Leben in der Hand hat. Man kann nicht mehr Schöpferin sein, denn das Werk der Schöpfung ist abgeschlossen. Gerade in diesem Moment bin ich mir dieses Schöpfungsprozesses klar und deutlich bewusst.

 Wie genial ist es, dass ich meine Figuren zu einem guten oder schlechten Ausgang begleiten kann. Es kann ihnen etwas zustoßen, aber ich lasse sie nie fallen. Und die ganze Zeit über weiß ich selbst, dass ich schon ein paar Zeilen oder Seiten später alles auflösen kann, die Wogen glätten, die Menschen gesunden und die Streits klären kann. Auch kann ich selbst immer wieder Hindernisse einbauen, über die die Figuren stolpern, wenn ich den Eindruck habe, jemand hätte mal einen kleinen Dämpfer verdient, müsste mal von seinem hohen Ross heruntersteigen. Ich kann meinen Figuren kleine oder große Lektionen erteilen, an denen sie wachsen und sich entwickeln können.
Und dann frage ich mich: Ist das nicht alles irgendwie wie das echte Leben? Gibt es nicht auch in unser aller Leben diese Weggabelungen, Konfrontationen, Begegnungen, die wir als Chance auffassen können? Oder eben aber auch nicht?
Jetzt wird es philosophisch, ich weiß. Aber wenn man sich gerade als Schöpferin der Dinge sieht, spürt man, dass da etwas ist, was alles lenkt. Nicht nur in der Geschichte.

Ein Gedanke, der mir dabei kommt, ist folgender: könnten nicht mehr der mächtigen Menschen in der Welt einfach mal ein Buch schreiben, sich Charaktere ausdenken, mit denen sie spielen können, auf der kleinen Bühne, bevor es auf die große Weltbühne geht? Die Idee wäre nicht übel, finde ich. 

 

Das war das Wort zum Donnerstag.   

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Kommentare: 3
  • #1

    Jutta (Freitag, 12 Juli 2024 10:56)

    Deine philosophischen Gedanken sind sehr beeindruckend und nachvollziehbar! Du hast einen sehr kreativen, „ schöpferischen „ Beruf, den nicht jeder Schriftsteller so wahrnimmt! Wenn Deine Figuren am Ende sich verabschieden, bin ich traurig und hoffe, dass sie wiederkommen und ich über Ihre Entwicklung wieder mehr erfahre ! Glückwunsch für Dein zunächst vollendetes Werk! Weiter so!

  • #2

    Michael (Sonntag, 14 Juli 2024 16:36)

    Glückwunsch zur Abgabe und dazu, wieder neue Handlungstränge und Wesenszüge Deiner Charaktere erschaffen zu haben

  • #3

    Kristina (Mittwoch, 17 Juli 2024 17:29)

    Danke! Yes!! Wie immer ein wunderbares Gefühl!!